PositHIV Wohnen

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© AIDS-Hilfe Heidelberg, 2020

PositHIV Wohnen ist eine sogenannte "Assistenzleistung im eigenen Wohnraum sowie im Sozialraum" (kurz: AWS / früher: ambulant betreutes Wohnen, ABW). Es ist eine Eingliederungshilfe nach SGB IX für Menschen mit HIV und weiteren Diagnosen, die Unterstützung im Alltag benötigen. 

Was bedeutet das genau? Fachkräfte unterstützen erwachsene Menschen mit verschiedenen Erkrankungen oder Behinderungen dabei, so selbstständig wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld zu leben. Die Kontakte finden je nach Bedarfen in unserer Geschäftsstelle, durch Hausbesuche oder Begleitungen zu ärztlichen / behördlichen Terminen oder anderen Verpflichtungen statt. Wie genau die Leistung gestaltet ist, richtet sich nach den Bedarfen und Wünschen der leistungsberechtigten Person. Das heißt: Alle bekommen die Hilfe, die sie brauchen.

Die Bedarfe werden von uns und vom zuständigen Sozialamt ermittelt und in den Teilhabeplan geschrieben. Die leistungsberechtigte Person ist an den Bedarfsermittlungsgesprächen beteiligt und darf ihre Ziele und Wünsche immer selbst äußern. Der Hilfebedarf und die Arbeit an den Zielen werden regelmäßig vom zuständigen Sozialamt überprüft.

Wichtig: Die Aidshilfe Heidelberg unterstützt Menschen, die in eigener Wohnung in Heidelberg oder dem Rhein-Neckar-Kreis wohnen. Wir stellen keine Wohnung zur Verfügung! Auch können wir Menschen, die noch nicht in unserer Region wohnen, nicht bei der Wohnungssuche unterstützen.

 

Unsere Leistungen (Auswahl)

  • intensive Unterstützung im Alltag, keine pflegerischen Tätigkeiten
  • Hausbesuche, Begleitung zum Einkauf oder zu ärztlichen und behördlichen Terminen
  • Unterstützung bei Anträgen (z.B. Bürgergeld, Grundsicherung, Reha, Pflege, Schwerbehinderung, Hilfsmittel) und der Kommunikation mit Behörden
  • Unterstützung bei finanziellen Angelegenheiten (z.B. Einteilen von Geld, Schuldenregulierung)
  • Unterstützung in Stresssituationen und bei Krisen, Stärkung der Resilienz, Erarbeiten von Bewältigungsstrategien
  • Unterstützung bei der Gesundheitssorge, Mobilität und bei sozialen Beziehungen
  • Unterstützung bei Vorsorge (z.B. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patient*innenverfügung) 
  • Gestaltung von Tagesstruktur
  • Organisation von Gruppenaktivitäten wie Ausflüge, Kochtreffs o.ä.

Dabei arbeiten wir bei Bedarf eng mit anderen Bezugspersonen zusammen und unterstützen bei der Inanspruchnahmen von weiteren Hilfen wie zum Beispiel Pflegedienste, Essen auf Rädern, Haushaltshilfe, Hausnotruf, rechtliche Betreuung oder spezialisierte Beratungsstellen.

 

Voraussetzungen

  • Eine HIV-Infektion und weitere Diagnosen,
  • Hilfebedarf im Alltag und bei der Teilhabe,
  • die Fähigkeit, Termine und Absprachen zuverlässig einzuhalten und aktiv mitzuarbeiten,
  • eine Wohnung in Heidelberg oder dem Rhein-Neckar-Kreis und
  • ein persönliches ausführliches Vorgespräch mit einer unserer Fachkräfte.

 

Wie läuft die Antragstellung?

  1. Kontaktaufnahme: Tel: 06221 16 17 00 / Mail: info@aidshilfe-heidelberg.de
  2. Persönliches Vorgespräch in der Aidshilfe oder im eigenen Zuhause
  3. Wenn alles passt: Antragstellung beim zuständigen Sozialamt
  4. Wenn alles passt: Persönliches Gespräch mit dem zuständigen Sozialamt
  5. Wenn alles passt: Bewilligung und Start der Hilfe

Die Antragstellung dauert in der Regel mehrere Monate. Unsere Fachkräfte unterstützen bereits bei der Antragstellung und den erforderlichen Formalitäten.

 

Rechtliche Grundlagen

PositHIV Wohnen ist eine Eingliederungshilfe, genauer: Eine Leistung zur Sozialen Teilhabe. Rechtgrundlage sind § 113 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 78 Abs. 1, 3 und 5 SGB IX. Leistungsbrechtigt ist, wer eine wesentliche Behinderung hat oder von ihr bedroht ist (§ 99 SGB IX), die die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft einschränkt. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können (§ 90 Abs. 1 SGB IX). 

Mit Leistungen für Assistenz sollen Leistungsberechtigte zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages befähigt werden. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen (§ 78 Abs. 1 SGB IX).

Der jeweilige Hilfebedarf und die Ressourcen der Leistungsberechtigten werden individuell festgestellt. Die Fähigkeiten und Einschränkungen sowie der Bedarf an Unterstützungsleistungen werden unter Einsatz des Bedarfsermittlungsinstruments Baden-Württemberg (BEI_BW) vom zuständigen Kostenträger festgestellt (§ 118 SGB IX) und im Gesamtplan festgeschrieben (§121 SGB IX).

Wie wir arbeiten und was uns ausmacht

Seit 1986 unterstützen wir Menschen im Leben und im Sterben. Seit 1995 bieten wir intensive Hilfen im Wohnumfeld an. Wir haben Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Ausgrenzungserfahrungen und psychischen Belastungen. Unsere Fachkräfte sind offen, empathisch und betrachten Menschen in ihrer Ganzheit. Würde und Respekt sind für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir arbeiten individuell und beziehungsorientiert. Unser Fokus liegt auf dem, was Menschen gut können, und nicht nur auf ihren Schwächen und Problemen. 

Es ist für uns selbstverständlich, die Wünsche der Menschen, die wir unterstützen, zu hören und so weit es möglich ist diese in die Gestaltung der Hilfe einzubeziehen. Das Spannungsfeld zwischen individuellen Wünschen, Bedarfen und Grenzen sowie dem Gesamtplan des zuständigen Sozialamtes ist uns bekannt und wir bemühen uns um einen bestmöglichen Umgang damit.

Weitere Grundlagen unserer Arbeit:

  • unsere Haltung lebt in unserer alltäglichen Arbeit; sie ist unserem Leitbild zu entnehmen
  • gesetzliche Grundlagen wie Qualitätssicherung und Datenschutz nehmen wir sehr ernst
  • unsere Fachkräfte bilden sich regelmäßig weiter und wir bieten Intervision sowie externe Supervision
  • wir arbeiten mit dem Modell der Bezugsbetreuung und dennoch eng im Team, um die Vertretungen sicherzustellen
  • wir schließen einen Betreuungsvertrag mit Zusatzvereinbarungen, um die Zusammenarbeit gut und transparent zu regeln
  • wir nehmen Konflikte ernst und bieten ein Beschwerdemanagement
  • wir verstehen uns als Schutzraum und haben ein Gewaltschutzkonzept
Zur Geschichte

Bereits Anfang der 1990er Jahre entstand in der Aidshilfe Heidelberg der Bedarf und die Idee für ein Wohnprojekt. Dieses konnte 1995 Dank einer Wohnung der GGH realisiert werden: Vier Menschen mit HIV und einem erhöhten Hilfebedarf wohnen in einer Wohngemeinschaft zusammen und werden von einer Mitarbeiterin der Aidshilfe unterstützt. 1997 wird das Wohnprojekt aus formalen Gründen aus der Aidshilfe Heidelberg in einen eigenen Verein PositHIV Wohnen in Heidelberg e.V. übergeleitet. Seither bietet PositHIV Wohnen in Heidelberg e.V. nicht nur Unterstützung für die Wohngemeinschaft an, sondern auch für Menschen, die in ihrer eigenen Wohnung wohnen („ambulant betreutes Einzelwohnen“). Nachdem die Wohngemeinschaft aufgelöst werden musste, richtet sich das Angebot nur noch an Menschen mit eigener Wohnung in Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis.

2016 bis 2022 wird die Leistung durch das Bundesteilhabegesetz neu geregelt. Mit der neuen Vergütungs- und Leistungsvereinbarung zu den "Assistenzleistungen im eigenen Wohnraum sowie im Sozialraum (AWS)" wird diese Hilfe nun seit 2022 wieder direkt von der Aidshilfe angeboten – da der Verein PositHIV Wohnen in Heidelberg e.V. nicht mehr nötig ist, wird er aufgelöst. Seither unterstützt die Aidshilfe unter dem Namen „PositHIV Wohnen“ Menschen mit HIV und weiteren Diagnosen in ihrem Alltag. 

Genaueres zu den Leistungen

Ziele der Leistung: Die Fachkräfte arbeiten gemeinsam mit der leistungsberechtigten Person darauf hin, möglichst eigenständig in der eigenen Wohnung zu leben. Ziel ist es, in verschiedenen Lebensbereichen selbstständig zu werden oder die Selbstständigkeit zu erhalten:

  • Lernen und Wissensanwendung: z.B. Hilfe bei der Lösung von Problemen und bei Entscheidungen. Hilfe beim Lesen / Schreiben / Rechnen.
  • Allgemeine Aufgaben und Anforderungen: z.B. Hilfe bei Alltagsaufgaben. Hilfe beim Umgang mit Stress / Angst / Unruhe / Depressionen / Krisen.
  • Kommunikation: z.B. Hilfe beim Miteinander-Sprechen, bei Telefonaten und dem Schreiben von Briefen. Hilfe beim Umgang mit Geräten (z.B. Computer, Handy, Telefon). Hilfe beim Umgang mit Hilfsmitteln (z.B. Sehhilfen, Hörhilfen, Lesehilfen, Sprechhilfen).
  • Mobilität: z.B. Hilfe bei der Fortbewegung in und außerhalb der Wohnung oder beim Heben/Tragen. Hilfe bei der Nutzung von Transportmitteln (z.B. Bus, Straßenbahn, Zug).
  • Selbstversorgung: z.B. Hilfe dabei, sich selbst zu waschen, anzuziehen und die Kleidung zu waschen. Hilfe dabei, auf die eigene Gesundheit zu achten. Hilfe bei ärztlichen Terminen und bei der Umsetzung von Anordnungen (z.B. Medikamente oder Therapien).
  • Häusliches Leben: z.B. Hilfe bei der Ordnung in der Wohnung. Hilfe beim Einkauf. Hilfe beim Umzug.
  • Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen: z.B. Hilfe bei Beziehungen mit der Familie, mit Partnerpersonen, mit Freund*innen, Nachbar*innen oder Kolleg*innen. Hilfe bei Konflikten. Hilfe dabei, neue Menschen kennenzulernen.
  • Bedeutende Lebensbereiche: z.B. Hilfe bei der Ausbildung. Hilfe dabei, einen Job zu finden und zu halten. Hilfe bei den Finanzen. Hilfe bei Anträgen und Terminen bei Ämtern.
  • Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben: z.B. Hilfe bei der Lebensplanung. Hilfe bei der Gestaltung von Freizeit. Hilfe beim Ausüben der Religion oder Spiritualität. Hilfe beim Wählen.

 

Folgendes gehört auch zu den Aufgaben der Fachkräfte: Dokumentation, Fahrtzeiten, Teamsitzungen, Supervision, Fortbildungen

Folgendes gehört nicht zu unserer Leistung (Auswahl): Pflegerische / medizinische Tätigkeiten, Tätigkeiten einer rechtlichen Betreuung, Haushaltstätigkeiten, bloße Fahrdienste, Wohnungssuche

Die Mitarbeitenden der Aidshilfe nehmen Termine der professionellen Rolle der Bezugsbetreuung wahr. Bei den Kontakten steht die gemeinsame Arbeit an den vereinbarten Zielen im Vordergrund. Alle Beteiligten tragen zu einem guten Arbeitsklima bei. Die Zusammenarbeit regeln wir mit einem Betreuungsvertrag.

Unterschiede zwischen der Beratungsstelle und "PositHIV Wohnen"

Du bist unsicher, ob die Unterstützung durch unsere Beratungsstelle reicht oder du eine intensivere Hilfe brauchst? Vielleicht hilft dir dies bei der Entscheidung:

Beratungsstelle PositHIV Wohnen
Die Beratungen sind offen für alle.Die Hilfe richtet sich an Menschen mit psychischen Diagnosen und einem besonderen Hilfebedarf im Alltag und bei der Teilhabe.
Du kannst eine Beratung einfach in Anspruch nehmen. Es findet eine Prüfung durch uns und das zuständige Sozialamt statt, ob die Voraussetzungen für die Hilfe vorliegen.
Termine finden nur in der Geschäftsstelle statt.Die Fachkräfte können auch Hausbesuche und Begleitungen zu Terminen anbieten.
Die Beratungen sind niedrigschwellig, freiwillig und nur punktuell.Wir legen gemeinsam Ziele und Maßnahmen fest, an denen wir arbeiten. Die Betreuung muss kontinuierlich stattfinden.
Termine finden nur nach Bedarf statt. Ratsuchende kommen, wenn sie möchten.Es muss ein Kontakt in der Woche stattfinden, diesen müssen die Fachkräfte dem Sozialamt nachweisen. Leistungsberechtigte müssen an den Zielen mitarbeiten.
Ratsuchende haben keinen Rechtsanspruch auf Beratung, Begleitung und zeitnahe Termine.Leistungsberechtigte haben einen Rechtsanspruch auf die Betreuung. Dies wird durch das Sozialamt vergütet. Die Betreuung wird auch in Urlaubs- / Krankheitszeiten sichergestellt und hat die höchste Priorität für uns.

Zusammenfassend:

Unsere Beratungen in der Beratungsstelle sind eine Soforthilfe: sie sind niedrigschwellig, unkompliziert und offen für alle. Allerdings musst du dafür die Initiative ergreifen, musst uns in unseren Räumen aufsuchen und die Hilfe findet auch nur hier statt. Es kann sein, dass wir keine kurzfristigen Termine vergeben können und wir können keine Vertretung garantieren, wenn die Bezugsperson nicht da ist.

Die Hilfe "PositHIV Wohnen" ist eine langfristige und intensive Hilfe. Wir können dich intensiv unterstützen und auch außerhalb der Aidshilfe begleiten. Du hast einen Anspruch auf regelmäßige Termine und wir arbeiten an allen Bedarfen, die du mitbringst. Allerdings ist dafür eine oder mehrere Diagnosen sowie ein etwas kompliziertes Antragsverfahren notwendig. 

Du hast Fragen dazu? Dann melde dich, wir besprechen dies gerne mit dir!

 

Unser Regenbogencafé-Team: 4 Personen sitzen an einem Tisch mit roter Tischdecke und lächeln in die Kamera
© Unser Regenbogencafé-Team (AIDS-Hilfe Heidelberg, 2023)